The Reindeer Run:

Reiten auf Tsaa-Bog (Rentieren)

Wir sind auf unserem Ritt am nördlichsten Eck der Mongolei angekommen, in der Taiga nordwestlich des Hovsgol Sees. Das Reiten wird schwieriger hier, wir müssen durch einige Sümpfe und einmal durch ein Wasserloch, in dem uns das Wasser bis zur Hüfte steht. Es gibt kaum mehr Weideflächen, als wir am Ende eines Tales auf Rentiernomaden stossen. Sie leben dort, wo die ebenfalls nomadisierenden Pferde- Schaf- und Yakzüchter nicht mehr genug Weideland vorfinden. Sie wandern mit ihren Rentieren einmal im Monat weiter, hoch in den Bergen, wo Pferde kaum noch als Last- und Reittiere zu verwenden sind.

Für einen Tag können wir unsere Pferde gegen Rentiere tauschen und höher hinauf über die Waldgrenze reiten! Ganbold erklärt, wir können unsere eigenen Pferdesättel verwenden, und zeigt uns, wie man die Sattelgurte richtig umschnallt. Mongolische Sättel haben zwei Sattelgurte, deren einer vorne um den Nacken des Rentiers gewickelt wird, der andere kommt um den Bauch des Tieres.

Etwas misstrauisch rütteln wir zunächst einmal am Sattel. Er sitzt so locker, dass man ihn leicht auf eine Seite drehen kann. Auf meine Frage, wie man denn darauf reiten soll, meint Ganbold, ich müsse einfach nur das Gleichgewicht halten. Wir reden mongolisch miteinander, eine sehr schwierige Sprache, bei der Missverständnisse vorprogrammiert sind. Also frage ich lieber noch einmal nach. Es bleibt dabei.

Wir können nicht wie bei einem Pferd den Steigbügel zum Aufsitzen benutzen, sondern müssen mit Schwung in den Sattel springen! Und nicht vergessen, das Gleichgewicht bewahren! Obwohl mir das Rentier nur bis zur Taille reicht, gestaltet sich das Aufsteigen für mich schwierig. Mein Begleiter scheint dagegen ein Naturtalent im Rentierreiten zu sein.

Ganbold drückt jedem von uns noch einen Stock in die Hand und los geht’s. Zuerst glaube ich, der Stock diene als Peitsche zum Antreiben, doch bei der ersten scharfen Kurve werde ich eines besseren belehrt. Ich rutsche mitsamt dem Sattel bedenklich nach links, da heisst es nur den Stock schnell einsetzen und sich wieder in die aufrechte Position bringen. Rentiere sind unheimlich wendig und schlängeln sich geschickt um Bäume. Mein Stock kommt an diesem Tag noch oft zum Einsatz.

Es geht nach oben durch den Wald, ich bewundere nur die Trittsicherheit dieser Tiere, da bin ich beinahe schon wieder mit dem Sattel runtergerutscht. Konzentration ist das Motto!

Die mongolischen Sättel bestehen im Prinzip aus zwei Holzteilen, die auf den Schultern des Pferdes aufsitzen. Rentiere haben aber keine so ausgeprägten Schulterblätter. Ausserdem ist unter dem Fell eine zentimeterdicke Fettschicht, auf der der Sattel regelrecht schwimmt. Man möchte glauben, der Sattel eigne sich eigentlich gar nicht. Aber man muss nur Ganbold zuschauen, um eines besseren belehrt zu werden. Mit traumwandlerischer Sicherheit nimmt er die Kurven um Bäume und Felsen.

Wenn es zu steil wird, gehen wir zu Fuß. Auf dem Pass begrüßt uns eine herrliche Aussicht über die schon herbstlich gefärbte Bergtaiga. Nach unten gehen wir wieder viel zu Fuß, doch auf dem letzten, flacheren Teil, schaffen wir es zu traben. Was für ein Gefühl! Wir sitzen den Trab aus und werden richtig durchgeschüttelt. Angeblich galoppieren Rentiere auch, aber für uns ist es nur beim Trab geblieben. Und der Stock ist auch wieder oft zum Einsatz gekommen.

Der Pass liegt auf über 2000 Meter und obwohl der erste Schnee ein paar Tage später fallen sollte, empfinden die Rentiere solche Temperaturen noch als heiss. Sie beginnen da zu schnauben und zu keuchen. Der Brustkorb hebt sich stark. In Sorge um die Tiere frage ich Ganbold, ob ihnen ja nichts fehlt. Nein, das ist normal, die Hitze eben.

 

 

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